Supervermächtnis

Die Beliebtheit des Berliner Testaments bei Eheleuten ist ungebrochen. Wird es mit einem „Supervermächtnis“ ergänzt, können offene Flanken bei der Erbschaftsteuer und beim Pflichtteil geschützt werden.

Der Klassiker für Eheleute – das Berliner Testament:

Seit langem ist es für Eheleute mit gemeinsamen Kindern ein Anliegen, im Todesfall den überlebenden Ehepartner testamentarisch abzusichern. Dies geschieht in der Form, dass sich die Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben und das Kind/die Kinde auf den Nachlaß des Längerlebenden zu(m) Schlußerben einsetzen (Berliner Testament).

Aber: Der Pflichtteil der Kinder nach dem Erstversterbenden bedroht die Absicherung des überlebenden Ehepartners!

So beliebt und auf den ersten Blick jedenfalls einfach das Berliner Testament auch ist,  es hat erhebliche Nachteile: Die nach dem erstversterbenden Elternteil nicht erbenden Kinder können vom überlebenden Ehepartner ihren Pflichtteil verlangen. Dieser besteht in einem Geldanspruch in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils gegen den überlebenden Elternteil. Kann der überlebende Ehepartner die Zahlung aus flüssigen Mitteln nicht leisten, muss er Nachlassgegenstände unter Zeitdruck verwerten, möglicherweise auch das selbst bewohnte Familienheim. Damit ist seine Absicherung, die durch das Testament bezweckt worden ist, stark gefährdet.

Erbschaftsteuerliche Freibeträge werden nicht genutzt!

Jedem Kind steht nach dem Tod eines Elternteils ein Freibetrag von derzeit € 400.000 – wohlgemerkt nach jedem Elternteil! – zu. Wird der überlebende Ehegatte als Alleinerbe eingesetzt, verfallen diese Freibeträge nach dem erstversterbenden Elternteil. Dies führt zu schweren steuerlichen Nachteilen, wenn der Nachlass mehr wert ist als der steuerliche Freibetrag für den überlebenden Ehegatten in Höhe von derzeit € 500.000. Folge: Es fällt beim überlebenden Ehepartner Erbschaftsteuer an, die bei besserer Aufteilung hätte vermieden werden können. Das Vermögen des erstversterbenden Elternteils wird zwei Mal versteuert, nämlich beim Erwerb des überlebenden Ehepartners und, nach dessen Tod, beim Schlußerwerb der Kinder. Im zweiten Erbgang enthält der Nachlass des Letztversterbenden nämlich auch das Vermögen des vorverstorbenen Ehepartners. Auch deshalb können die Freibeträge der Kinder im Schlußerbfall unnötig überschritten werden.

Problemlösung durch das „Supervermächtnis“ – und mehr:

Gegen die Gefahren, die dem überlebenden Ehepartner durch den Pflichtteil drohen, und gegen die erbschaftsteuerlichen Nachteile gibt es ein Instrument, das viel zu selten genutzt wird: Das sogenannte Supervermächtnis. Es ist geeignet, Kinder von der Geltendmachung des Pflichtteils abzuhalten und deren Freibeträge auszuschöpfen, die sonst ungenutzt verfallen würden. Damit aber nicht genug: Das Supervermächtnis läßt den überlebenden Ehegatten bestimmen, welches Kind überhaupt etwas bekommt, was es bekommt und welchen Anteil es zu welchen Bedingungen erhält. Auch die Bestimmung des Zeitpunkts, wann das Vermächtnis erfüllt wird, kann dem überlebenden Elternteil überlassen werden – aber es sind hier steuerliche Fristen zu beachten. „Irgendwann“ gilt das Vermächtnis nicht mehr als Erwerb des Erstversterbenden, sondern aus dem Vermögen des Längerlebenden – dann sind die Freibeträge nach dem Erblasser verpufft und die zum überlebenden Elternteil angegriffen. Mit dem Supervermächtnis kann der überlebende Ehepartner auf das eigene V Versorgungsbedürfnis, die wirtschaftliche Situation in der Familie insgesamt und dann aktuell geltende steuerliche Spielregeln flexibel reagieren, die bei der Testamentserrichtung noch nicht vorhergesehen werden können.

Lockerung der Höchstpersönlichkeit der letztwilligen Verfügung

Der Erblasser muss im Testament grundsätzlich selbst bestimmen, wer wann was aus dem Nachlass erhält. Er kann diese Auswahl nicht Dritten, beispielsweise dem überlebenden Ehegatten, überlassen, § 2065 Absatz 2 BGB. Dieser Zwang kann überfordern und zu einer ungerechten Verteilung führen , gerade dann, wenn nicht vorhersehbar ist, wer sich um den Nachlass verdient macht, welches Kind sich beispielsweise um die Eltern kümmert und sie pflegt oder im Betrieb bzw. in der Gesellschaft mitarbeitet.

Beim Vermächtnis lockert das Gesetz das Prinzip, höchstpersönlich den Begünstigten im Erbfall bestimmen zu müssen, erheblich. Sind mehrere Kinder vorhanden, kann es dem überlebenden Elternteil überlassen werden, wer überhaupt etwas erhält (§ 2151 Absatz 1 BGB), welchen Anteil er von einem bestimmten Gegenstand, z. B. einem Grundstück, erhält (§ 2153 Absatz 1 BGB), wer welchen Gegenstand aus dem Nachlass erhält (§ 2154 Absatz 1 BGB) und wann das Vermächtnis erfüllt wird (§ 2181 BGB).

Der Erblasser kann sich darauf beschränken, lediglich den Zweck des Vermächtnisses (z. B. Studium, Ausbildung, Belohnung für Pflege und Versorgung) anzugeben und damit Auswahl und Höhe nach billigem Ermessen dem überlebenden Ehegatten zu überlassen.

Pflichtteilsvorsorge

Ist das Vermächtnis so gestaltet, dass ein Kind die realistische Möglichkeit sieht, deutlich mehr als den Pflichtteil zu erhalten, stellt das Supervermächtnis eine geeignete Gestaltung dar, Abkömmlinge davon abzuhalten, den Pflichtteil zu verlangen. Das Supervermächtnis wirkt auch weniger einschneidend als die Pflichtteilsstrafklausel. Die Einzelheiten richten sich nach den persönlichen Verhältnissen, auf die das Testament zugeschnitten sein muss.

Nutzung der Freibeträge

Das Vermächtnis stellt einen Erwerb vom Erblasser, also dem erstversterbenden Elternteil, dar. Anders als beim Berliner Testament erhalten die Kinder nicht erst etwas vom längerlebenden Elternteil, sondern schon etwas aus dem Nachlass des zunächst versterbenden Elternteils. Damit kann der Freibetrag zu diesem genutzt werden. Durch das Supervermächtnisses hat der überlebende Ehegatte es sogar in der Hand, wann und in welcher Höhe der Freibetrag genutzt wird. Das Vermächtnis kann dabei helfen, die steuerliche Situation optimal zu gestalten und verhindert den Anfall einer vermeidbaren Steuerbelastung.

Flexible Reaktion auf künftige Entwicklungen

Das Supervermächtnis hilft dabei, angemessen auf künftige Entwicklungen reagieren zu können. Der überlebende Elternteil kann seine Entscheidung, wer wann was bekommt, von diesen Entwicklungen abhängig machen. Zu denken ist an die Behebung einer finanziellen Notlage, in die ein Kind unverschuldet geraten ist. Das Zweckvermächtnis kann aber auch Ansporn zu Wohlverhalten sein, um sich das Vermächtnis zu „verdienen“.

Ergebnis

Das Erbrecht  stellt dem Erblasser mit dem Vermächtnis einen Instrumentenbaukasten zur Verfügung, der, vor allem mit dem Supervermächtnis, die Nachteile des starren Berliner Testaments auffängt. Ehepartner sollten die Vorteile des Supervermächtnisses unbedingt nutzen.